Das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG
- 2 Minuten Lesezeit
Das Grundgesetz kennt – im Gegensatz zu den wohl meisten anderen Verfassungen – ein Widerstandsrecht der Bürger gegen eine tyrannische Herrschaft. Art. 20 Abs. 4 GG besagt:
Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung [die freiheitlich-demokratische Grundordnung] zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Anwendungsbereich sehr gering
Dies klingt zunächst sehr weitgehend, dass also der einzelne Staatsbürger (nicht aber ein Ausländer) ein Recht dazu hat, den Staat gewaltsam zu verteidigen. Tatsächlich ist der Anwendungsbereich dieses Grundrechts aber sehr gering.
Denn solange das Grundgesetz und die auf diesem aufbauende rechtsstaatliche Ordnung besteht, ist noch „andere Abhilfe möglich“. Der Staat kann sich gegen Usurpatoren mit Hilfe der Polizei und der Geheimdienste wehren. Der Bürger kann diese informieren und – wenn es Angriffe auf die Verfassung gerade durch staatliche Organe gibt – die Gerichte bemühen.
Wenn dagegen eine Diktatur etabliert ist, läuft das Widerstandsrecht mit einiger Sicherheit leer. Entweder wird es ganz abgeschafft oder es findet sich jedenfalls kein Gericht mehr, das in der Weise gegen den Staat stellt, dass es den Bürgern die Anwendung von Art. 20 Abs. 4 GG erlaubt.
Rechtfertigung von Widerstandskämpfern gegen Diktaturen
Relevant könnte das Widerstandsrecht nur werden, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorübergehend beseitigt wurde, diese aber gestürzt wird und danach das Grundgesetz wieder gilt. Dann haben die Widerstandskämpfer nicht im rechtsfreien Raum gehandelt, sondern können sich auf eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung stützen.
Diese Norm muss man daher – wie so vieles im Grundgesetz – vor dem Hintergrund der NS-Zeit sehen. Damalige Widerstandskämpfer handelten meist zweifellos im Widerspruch zu dem, was im Dritten Reich als Recht galt. Rechtfertigen konnten Sie das aber nicht anhand von Gesetzen, sondern allenfalls moralisch oder naturrechtlich.
Verfassungsbeschwerde: andere Grundrechte relevant
In der Verfassungsbeschwerde spielt das Widerstandsrecht aber aus den genannten Gründen praktisch keine Rolle. Man wird das Bundesverfassungsgericht kaum davon überzeugen können, dass es keine Abhilfe gegen verfassungswidrige Bestrebungen gibt. Auch die Nichtbeachtung von Gesetzen, die man für verfassungswidrig hält, lässt sich auf diese Weise nicht begründen. Freilich schließt dies nicht aus, dass Gesetze verfassungswidrig sind – nur muss man das mit anderen Grundrechten begründen als mit Art. 20 Abs. 4 GG.
Artikel teilen: