Überblick zur Prüfungsanfechtung
- 5 Minuten Lesezeit
Wer mit einer Benotung, einem Zeugnis oder einer anderen Prüfungsbewertung nicht zufrieden ist, kann seine Leistungen mit einer Prüfungsanfechtung auf juristischen Weg beschreiten. Eine versemmelte Prüfung hat schließlich nicht selten einschneidende Folgen für das weitere Leben. Dieser Ratgeber gibt einen Überblick.
Bewertungen wie Noten oder Zeugnisse können angefochten werden, wie von einer Schule, Hochschule, Handwerkskammer oder von einer anderen Einrichtung mit staatlichen Lehrauftrag. Dabei können nicht nur Abschlussprüfungen wie Bachelor, Master, Diplom, Examen, Dissertation angegriffen werden, sondern auch Zwischenprüfungen, Klausuren und Seminararbeiten.
Eine Prüfungsanfechtung kann sowohl wegen Verfahrensfehlern als auch wegen Bewertungsfehlern erfolgreich sein. Im Falle von Verfahrensfehlern kann eine Wiederholung der Prüfung verlangt werden, bei Bewertungsfehlern eine Neubewertung.
Besonderheit bei Verfahrensfehlern
Verfahrensfehler können sich auf den inneren und äußeren Rahmen der Prüfung beziehen. Zum äußeren Rahmen gehören, dass z. B. die Prüfungsräume wegen Hitze, Kälte oder Lärm ungeeignet sind. Zum inneren Rahmen zählen die sogenannten Prüfermängel, das heißt, der Prüfer ist mangels fachlicher Qualifikation oder Befangenheit ungeeignet. Die Differenzierung spielt deshalb eine Rolle, denn Verfahrensfehler zum äußeren Rahmen sind unverzüglich zu rügen, wenn man später deshalb die Prüfung anfechten möchte bzw. ein Anfechtung offenhalten möchte.
Herrscht zum Beispiel im Prüfungsraum eine unerträgliche Hitze, dann muss dieser Umstand unverzüglich der Prüfungskommission mitgeteilt werden und ist protokollieren zu lassen. Wird dieser Umstand erst später gerügt, ist eine darauf gestützte Prüfungsanfechtung erfolglos. Die den jeweiligen Prüfungsordnungen können zudem sogenannte Ausschlussfristen regeln nach deren Ablauf solche Verfahrensfehler nicht mehr gerügt werden können.
Verfahrensablauf der Prüfungsanfechtung
Wer mit der Prüfungsbewertung nicht einverstanden ist, muss innerhalb der Widerspruchfrist Widerspruch einlegen. Der Widerspruch ist entweder bei der Einrichtung selbst oder bei der Aufsichtsbehörde, also zum Beispiel bei einem Schulzeugnis bei der Schule oder bei der Schulaufsicht, einzulegen. Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat, wenn mit der Bekanntgabe der Bewertung zugleich eine Rechtsmittelbelehrung erfolgte und beträgt ein Jahr, wenn eine Rechtsmittelbelehrung fehlte oder fehlerhaft war. Wurde die Bewertung schriftlich per Post versendet, gilt diese mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn die Post geht tatsächlich früher oder später oder gar nicht zu.
Mit Einlegung des Widerspruchs beginnt zunächst das sogenannte Überdenkungsverfahren, das heißt, der Prüfer kann seine Bewertung überdenken und neu bewerten. Den Widerspruch sollte man gut begründen, um den Prüfer von einer besseren Benotung zu überzeugen. So gibt es bei vielen Prüfungen kein richtiges oder falsches Ergebnis, sondern es kommt darauf an, ob die gefundene Lösung vertretbar ist. Und mit der richtigen Begründung ist vieles vertretbar. Es kommt also auf die Argumentation an. Daher hängt der Erfolg einer Prüfungsanfechtung zu meist von einer guten und ausgefeilten Begründung ab. Dabei sollte der Prüfer nicht angegriffen und rein sachlich argumentiert werden. Empfehlung: Betroffene sollten dabei Hilfe durch erfahrene und durch die gescheiterte Prüfung nicht persönlich belastete Personen in Anspruch nehmen.
Ist das Überdenkungsverfahren erfolglos, wird das Widerspruchsverfahren durchgeführt, das mit Erlass des Widerspruchsbescheides endet. Wird mit dem Widerspruchsbescheid die angegriffene Bewertung aufrechterhalten, kann innerhalb der Klagefrist Klage erhoben werden. Die Klagefrist beträgt in der Regel einen Monat und beträgt ebenfalls ein Jahr, wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht ordnungsgemäß erfolgte. Die Klagefrist beginnt ebenfalls mit Bekanntgabe des Widerspruchbescheids. Diese gilt auch mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn die Post geht tatsächlich früher oder später oder gar nicht zu.
Widerspruchs- oder Klagefrist abgelaufen?
Ist die Widerspruchs- oder Klagefrist abgelaufen, kann mit einem Widerspruch oder Klage die Bewertung nicht mehr erfolgreich angegriffen werden. Eine solche Verfristung kann mit einem Antrag auf Widereisetzung in den vorigen Stand beseitigt werden. Ein solcher Antrag hat aber nur Erfolg, wenn die Verfristung nicht verschuldet wurde. Das ist nur in wenigen Ausnahmefällen der Fall, zum Beispiel, weil aufgrund eines Unfalls ein sofortiger unvorhersehbarer Krankenhausaufenthalt notwendig war und während des Krankenhausaufenthalts die Bewertung zugesendet wurde und die Frist ablief.
In diesen Fällen geben die meisten auf. Allerdings gibt es in dieser Not noch eine Möglichkeit, die selbst Juristen und Behördenmitarbeitern oft nicht bekannt ist: der Rücknahmeantrag nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Diese Vorschrift regelt, dass Behörden auch rechtswidrige Verwaltungsakte zurücknehmen können, wenn diese mit den regulären Rechtsbehelfen nicht mehr angegriffen werden können. Ist der Rücknahmeantrag erfolgreich, nimmt die Behörde die rechtswidrige Bewertung zurück und ersetzt diese durch eine neue. Wird von der Behörde die Rücknahme ermessensfehlerhaft verweigert, kann dieser Anspruch sogar eingeklagt werden. Wenn also wegen Fristablaufs alle Stricke reißen, sollte diese Möglichkeit geprüft werden.
Kosten bei Widerspruch und Klage
Die Verfahrenskosten im Widerspruchsverfahren sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und liegen von bis zu ca. 50 bis 150 €. Rechtsanwälte verlangen für die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren in der Regel eine Honorarvereinbarung, da die gesetzlichen Gebühren den anwaltlichen Aufwand nicht abdecken. So bieten Rechtsanwälte die Bearbeitung solcher Mandate nur mit der Vereinbarung eines Stunden- oder Pauschalhonorars an.
Der Streitwert im Klageverfahren wird in der Regel auf 5000 € pro angegriffene Prüfung festgesetzt. Auch ohne Honorarvereinbarung beläuft sich bei diesem Streitwert das Kostenrisiko einer Klage auf knapp 1000 € und oft haben Rechtsschutzversicherungen diesen Bereich vom Versicherungsschutz herausgenommen. Man sollte sich also genau überlegen, welche Prüfungsanfechtung man auch gerichtlich verfolgen möchte. Aber: Auf ein paar tausend Euro kann es nicht ankommen, wenn damit ein teures Studium mit einem erfolgreichen Abschluss endet. Nicht zu vernachlässigen sind die damit verbundenen Einkommensmöglichkeiten im späteren Berufsleben, die die Kosten relativieren.
Fazit: In vielen Fällen muss man sich mit einer unfairen Benotung nicht abfinden und kann diese mit einer Prüfungsanfechtung angreifen. Allerdings ist eine solche gut zu begründen und sollten die Kosten - besonders im Falle einer Klage - im Verhältnis zum Nutzen im Blick behalten werden.
(FMA)
Artikel teilen:
Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Prüfungsanfechtung?
Rechtstipps zu "Prüfungsanfechtung" | Seite 2
-
23.06.2018 Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa„… Kontrolle unterliegen würden. Wie fast jede staatliche Entscheidung unterliegt auch die Benotung des Abiturs der gerichtlichen Nachprüfung. Allerdings gibt es im Bereich der Prüfungsanfechtung einige …“ Weiterlesen
-
02.11.2023 Rechtsanwalt Keno LeffmannSeit je her gilt das erste juristische Staatsexamen als besonders anspruchsvolle Prüfung. Da die Anzahl der Versuche begrenzt ist, hat das Bestehen beim ersten Versuch in der Regel eine hohe Priorität … Weiterlesen
-
09.10.2017 Rechtsanwalt Christian RecklingSchlömer & Sperl Rechtsanwälte konnten einen beachtlichen Erfolg vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Sachen Anfechtung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung erreiche … Weiterlesen
-
29.08.2017 teipel.law - bundesweit tätige Schwerpunktkanzlei: Prüfungsrecht | Hochschulrecht | Beamtenrecht | Datenschutzrecht| Digitalisierung„… derartige Verfahren dann den Charakter einer Prüfungsanfechtung auf. Gelegentlich fehlt es schon einer Rechtsgrundlage zur Durchführung der Prüfungen, teilweise erweisen sich die Auswahlkriterien …“ Weiterlesen
-
15.04.2017 Rechtsanwalt Guido C. Bischof„… bei ihrer Wiederholungsprüfung unter großem Druck. Wann ist eine Prüfungsanfechtung sinnvoll? Oftmals empfinden die Geprüften die Fallbeispiele oder die mündliche Prüfung und deren Bewertung als „unfair …“ Weiterlesen
-
04.03.2017 Rechtsanwälte Menzel & Partner„… einer Behörde (Hochschule) vorzugehen. Wann lohnt sich eine Prüfungsanfechtung? Neben Verfahrensfehlern im Prüfungsverfahren z.B. störenden äußeren Umständen – wie etwa Lärm im Prüfungsraum – gibt …“ Weiterlesen
-
18.01.2017 Rechtsanwalt Christian Reckling„Die Prüfungsanfechtung im Überblick Staatliche und universitäre Prüfungen entscheiden über das berufliche Fortkommen. Daher haben sich alle Prüfungsentscheidungen an Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs …“ Weiterlesen
-
24.10.2016 Rechtsanwalt Christian Reckling„… ging es um die Frage der Akteneinsicht im Rahmen einer Prüfungsanfechtung, wobei es im vorliegenden Fall um die Abiturprüfung ging. Unserem Mandanten wurde es außergerichtlich nicht gestattet …“ Weiterlesen
-
22.09.2016 Rechtsanwalt Christian Reckling„… Prüfungsleistung, die einzig und allein für den Bachelorabschluss gefehlt hat, noch einmal wiederholen. Kommentar: Das Urteil zeigt deutlich, dass auch Verfahrensfehler zu einer erfolgreichen Prüfungsanfechtung …“ Weiterlesen
-
30.03.2016 Rechtsanwalt Christian Reckling„… . „Verböserung“ möglich, in der Praxis ist dies aber so gut wie ausgeschlossen, sodass die Befürchtung, nach einer Prüfungsanfechtung stünde man schlechter als vorher, so gut wie immer unbegründet …“ Weiterlesen
-
17.02.2016 Rechtsanwälte Riedel, Riedel & Riedel„… Erfolgsaussichten abgeklärt werden – dasselbe gilt auch, wenn es darum geht, die Einlegung eines Widerspruchs vorzubereiten. Rechtsanwalt York Riedel Experte für Prüfungsanfechtung, Schul- und Hochschulrecht, Prüfungsrecht, Spezialist für Verfahrensfehler, bundesweit“ Weiterlesen
-
22.05.2014 teipel.law - bundesweit tätige Schwerpunktkanzlei: Prüfungsrecht | Hochschulrecht | Beamtenrecht | Datenschutzrecht| Digitalisierung„… unbedingt beachtet werden. Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidung: Die möglichen Fehler auf Seiten der Hochschule sind derart vielfältig, dass Prüfungsanfechtungen in vielen Fällen erfolgreich …“ Weiterlesen
-
08.04.2014 teipel.law - bundesweit tätige Schwerpunktkanzlei: Prüfungsrecht | Hochschulrecht | Beamtenrecht | Datenschutzrecht| Digitalisierung„… im Jahr 2012 vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgreich war, im Rahmen einer Prüfungsanfechtung gegen das endgültige Nichtbestehen vorzugehen und die Rechtslage vorab durch einen versierten Anwalt …“ Weiterlesen
-
05.11.2013 Rechtsanwalt Christian Reckling„… der Chancengleichheit müssen daher eingehalten und effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden. Verstöße gegen diese Grundsätze berechtigen zu einer Prüfungsanfechtung. So ist die gerichtliche Überprüfung …“ Weiterlesen
-
25.09.2013 Rechtsanwalt Christian Reckling„… das Recht der Prüflinge im Falle einer Prüfungsanfechtung weiter gestärkt. Die bisherige Rechtsprechung wurde konsequent weiterentwickelt, so dass Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Bezug …“ Weiterlesen
-
23.09.2013 Rechtsanwalt Christian Reckling„… auch nicht derartig miteinander vergleichbar, dass anhand der Kenntnis eines Aktenvortrages ein erfolgreiches Prüfungsgespräch gewährleistet werden könne. Warum eine Prüfungsanfechtung im Einzelfall trotzdem …“ Weiterlesen
-
31.05.2012 teipel.law - bundesweit tätige Schwerpunktkanzlei: Prüfungsrecht | Hochschulrecht | Beamtenrecht | Datenschutzrecht| Digitalisierung„… über Art und Zeitpunkt ihrer Prüfungsanfechtung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 23. Mai 2012 in einem Revisionsurteil zum Prüfungsrecht geklärt, dass einzelne Prüfungsleistungen umfassend …“ Weiterlesen
-
30.04.2012 Rechtsanwalt Christian Reckling„… Staatsprüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Auch diese Entscheidung zeigt, dass Prüflinge nicht schutzlos gestellt sind und eine Prüfungsanfechtung mehr Chancen …“ Weiterlesen
-
16.01.2012 Rechtsanwalt Christian Reckling„… gegen die Prüfungsentscheidung mittels einer Prüfungsanfechtung sinnvoll ist. Dabei ist anzumerken, dass jeder Prüfungskandidat bei berufsbezogenen Prüfungen einen verfassungsrechtlich garantierten …“ Weiterlesen
-
22.03.2011 Rechtsanwalt Christian Reckling„1. Was wird unter dem Begriff „Prüfungsanfechtung” verstanden? Prüfungsanfechtung meint, seine Rechte wahrzunehmen, um entweder eine Notenverbesserung zu erreichen oder gegen das Nichtbestehen …“ Weiterlesen